Das Geheimnis Puppe

Die Geschichte der Marionette reicht weit in mythische Vorzeiten zurück und noch heute scheint es, als würden aus den rätselhaften Puppengesichtern lang vergessene Geheimnisse zu uns sprechen wollen. Die Figur aus Stein, Holz oder Leder war eng verbunden mit den Zeremonien und Ritualen, in denen der Mensch mit den dunklen Mächten in Kommunikation trat, die sein Leben allgegenwärtig durchdrangen und bestimmten.

Ein weiter Bogen spannt sich von den beweglichen Figuren in Pharaonengräbern, den Ahnenbildern der Chinesen, den Totemfiguren der Afrikaner bis zu den Mysterienspielen des Mittelalters, den Spielen mit den 'kleinen Marien', den Marionetten. War es auf der einen Seite die 'sympathetische oder imitative Magie' der Erwachsenen, die durch Nachbildung, envoutement (vom lateinischen vultus, Gesicht) einen geliebten Menschen oder einen Feind behexen wollten, war es auf der anderen Seite die Phantasie des Kindes, das ein Stück Holz oder einen Fetzen Stoff benannte und damit seine 'Puppe' beseelte.


Das Geheimnis des Puppenspiels

Zu allen Zeiten wussten die Puppenspieler um die magische Ausstrahlung des Symbols 'Puppe' und nutzten die fast immer vorhandene Bereitschaft des Publikums, an diese Magie zu glauben, reichlich aus. Dies konnte allerdings nur auf dem geheimnisvollen Boden der Bühne geschehen, hätte doch ein Blick in die nackte Primitivität, die meist hinter den Kulissen herrschte, die Illusion zerstört.

Noch aus einem zweiten Grund hütete der Puppenspieler eifersüchtig das Geheimnis seiner Puppen: Angst vor der Konkurrenz, vor dem Nachgemachtwerden.

Dass diese Ängste auch noch die modernen Puppenspieler umtreiben, geht aus einem Bericht eines Bill Schuring, Direktor des Puppentheaters 'The Pied Piper Puppeteers' hervor: Da war 1957 das Salzburger Marionettentheater zu einem Gastspiel nach Waldwick, New Jersey, USA, gekoommen. Bill Schuring, begeistert vom Können der Salzburger, wollte zusammen mit anderen amerikanischen Puppenspielern nach der Vorstellung natürlich hinter die Bühne: "My mind was filled with questions afterward. How had they done it? How big were the figures? What sort of controllers were used? How many people were operating? What sort of joints did the marionettes have? 'May we go behind the scenes and see the marionettes?' we asked almost in unison. The man shook his head negatively: 'I'm sorry', he said with a thick German accent. 'We never allow visitors backstage."


Der Beruf des Puppenspielers

In der abendländischen Welt gibt es das Puppenspielen als gesellschaftsfähigen Beruf erst seit etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts. Da bat am 13. September 1858 der Vereins-Actuar Joseph Schmidt aus München in einem Brief den Hofzeremonienmeister Franz Graf Pocci um Stücke für sein neu gegründetes Marionettentheater, die dieser ihm gerne schrieb: Es waren die genialen Kasperl-Komödien des Grafen Pocci, die die Entwicklung des modernen Puppentheaters für Kinder begründeten.

Als gebildete und hochgeachtete Männer verstanden es Graf Pocci und 'Pappa Schmidt', das Puppenspiel aus seiner gerade noch geduldeten Aussenseiterposition der meist derben und primitiven Jahrmarktsunterhaltung herauszuführen und es als Objekt ernsthafter künstlerischer Bemühung für das bürgerliche Publikum zu einem akzeptablen Unterhaltungsangebot zu machen.

Die Existenzprobleme des fast ehr- und rechtlosen Fahrenden Volkes hatten für das Puppenspiel eine weitere, seine Existenz hemmende Konsequenz. Um überleben zu können, mussten mehrere Berufe beherrscht werden. So verdiente man als Akrobat im Sommer und als Puppenspieler im Winter, war Kesselflicker und Schereneinschleifer, Wahrsager und Hausierer. Unter diesen Umständen ist es wohl verständlich, dass der Schausteller auf das Puppenspiel, dass ja nur eines seiner Mittel zum Geldverdienen war, keine besondere Aufmerksamkeit und Mühe richtete.

Auch die Trennung von Puppenspieler und Schauspieler ist eine erst junge Erscheinung, denn oft führte ein Theaterdirektor ein hölzernes Ensemble für den Fall mit sich, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten oder die Behörden den Auftritt der lebenden Schauspieler verhinderten. Folgerichtig wurde die Puppe nur als Ersatz des Schauspielers gesehen, ohne dass die Frage nach einem Eigenleben der Puppe überhaupt als wichtig erkannt worden wäre

Erst als zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Puppenspielen zu einem geachteten Beruf wurde, erlernbar an Hochschulen und Akademien, als es auch Küstler vom Range eines Richard Teschner in Wien, Olaf Gulbransson, Josef Wackerle, Egon Fridell und Alfred Polgar in München anzog, als es vielerorts vom Staat unterstützt auf Bühnen mit teilweise mehr als 200 Beschäftigten wie dem 'Moskauer Zentraltheater' einen großartigen Aufschwung erlebte, und sich neuer Medien wie Film und Fernsehen bedienen konnte, da erst konnte die Frage nach dem Wesen der Marionette gestellt werden, um eine Abgrenzung zum Menschentheater zu bekommen.



Quellen/weiterführende Informationen zum Thema Puppenspiel:

Böhmer, Günter: "Puppentheater", F. Bruckmann KG, München 1969

Böhmer, Günter: "Walter Oberholzer", Festschrift 1973

Krafft, Ludwig: "München und das Puppenspiel", München 1962

Netzle, Hans: "Das Süddeutsche Wander-Marionettentheater", München 1938

Rehm, Hermann Siegfried: "Das Buch der Marionetten", Ernst Frensdorff Verlag Berlin 1905

Schlamp, Günter: "Die Marionette, ein kinästhetisches Problem", Zulassungsarbeit, Universität München 1975

Wittkopp, Gabrielle: "Von Puppen und Marionetten", Werner Classen Verlag Zürich 1962






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